Gehirn und Seele

  • Liebes Mitglied,
    hier verweise ich auf einen sehr interessanten, lehrreichen Vortrag auf You Tube von Gerhard Roth (Biologe und Hirnforscher) : 'wie das Gehirn die Seele macht'
    Der Vortrag handelt zwar nicht von Belohnung (1 x ist das Belohnungssystem erwähnt) ist aber hochinteressant, wie sich die Psyche des Menschen entwickelt.
    Unbedingt reinhören ist interessant auch für die, die Kinder groß ziehen oder mit ihnen zu tun haben.
    Grob zusammengefasst geht es um Folgendes:
    Tief im Inneren des Gehirns ist das Limbische System. Es wird von Roth als Sitz der Seele - als Platz an dem die Seele entsteht, beschrieben.
    Roth beschreibt verschiedene Ebenen in diesem limbischen System auf denen die verschiedenen Prozesse unserer Seele / Psyche ablaufen.
    Auf der untersten limbische Ebene, dem Hypothalamus, beginnt das Gehirn zu wachsen und ist verantwortlich für die Steuerung der vegetativen Zentren, der Organe, von Schlaf, Wach sein, Atmen, Blutdruck, Nahrungsaufnahme, Aggression, Flucht, Verteidigung, Sexualität u.a.Hier sitzen aber auch die Netzwerke, die unser Temperament / Persönlichkeit, mit der wir auf die Welt kommen, bestimmen.Als Beispiel führt er eineiige Zwillinge an, die vom Temperament verschieden sind. Die Gene sind zwar identisch, aber wie diese aktiviert werden ist verschieden, da die Versorgung der Mutter nicht symmetrisch ist.
    Für unser psychisches Überleben ist das allerwichtigste die Stressverarbeitung. Vorgeburtlich und früh nachgeburtlich entwickelt sich Stressverarbeitung des Kindes indem es von dem mütterlichen Verhalten lernt (wie eine Art Matrix). Ist die Mutter traumatisiert, erlernt das Kind eine fehlerhafte Stressverarbeitung.
    Das interne Beruhigungssystem beginnt sich gleich nach der Geburt zu entwickeln. Auch hier spielt das Beruhigungssystem der Mutter und ihr Verhalten eine entscheidende Rolle. Ist die Mutter psychisch krank, führt das zu Schäden in der psychischen Entwicklung des Kindes.
    Roth geht davon aus, dass die schwersten Beeinträchtigungen der Psyche vor der Geburt passieren.
    Die mittlere limbische Ebene ist die der Bindungserfahrung, die sich nach der Geburt entwickelt. Im wesentlichen auf unbewusster - nicht später erinnerbarer emotionaler Konditionierung beruht. Bei liebevoller Interaktion von Eltern und Kind geht die Ausschüttung des Oxytocinspiegels nach oben. Damit erhöht sich auch das Serotonin. Das Kind wird dadurch ruhiger. Das Cortisol sinkt und damit auch der Stress des Kindes.In dieser Phase können vorangegangene Schäden repariert werden, aber natürlich auch großer irreparabler Schaden angerichtet werden.
    In den ersten 3 Lebensjahren prägt sich abschwächend und sich fortsetzend bis zum ca. 14. Lebensjahr die Persönlichkeit. Mit ca. 14 Jahren ist diese zu beinahe 80 % abgeschlossen.Einen Menschen danach noch tief zu verändern ist sehr schwer.
    Diese ersten 3 Lebensjahre sind nicht erinnerbar obwohl sie die wichtigsten sind.
    Auf der oberen limbischen Ebene werden wir ab dem 5. Lebensjahr sozialisiert. In Kindergarten und Schule müssen wir uns mit unserer Umwelt auseinandersetzen lernen. Hier lernen wir Empathie am Beispiel Schmerz: Schmerz, den ich bei anderen sehe, tut mir auch weh. Im Gehirn sind die selben Bereiche bei mir betroffen, wie bei der Person mit den Schmerzen. Das nennen wir Mitleid.
    Der Frontale Kortex ist der höchste Bereich im Limbischen System - die Ebene des bewussten emotional sozialen Lernens: Gewinn, Erfolgsstreben, Anerkennung, Freundschaft, Liebe, soziale Nähe, Hilfsbereitschaft, Moral und Ethik, Sprache und Kommunikation.
    Im Bereich Dorsolateraler Präfrontaler Cortex der Ort für Analyse, Planung, Entscheidung sitzt unsere Intelligenz, Ratio und Verstand.
    Die tief liegenden limbischen Areale haben starken Einfluss auf diesen Präfrontalen Kortex also auf unsere Ratio und den Verstand - aber umgekehrt ist dieser Einfluss nicht möglich.
    Nicht erwähnt im Vortrag, aber auf einer der Tafeln wird aufgezeigt, dass die Entwicklung des internen Motivationssystems in den ersten Jahren stattfindet. Auf den Tafeln sind noch weitere Entwicklungen aufgeführt - aber seht es Euch selber an.
    Der letzte Teil geht auf Psychotherapie und Coaching ein.Bei einer Untersuchung der Verlaufsformen der unterschiedlichsten Therapien (auch ganz abwegiger)ist ein exakter, gleicher Ablauf zu erkennen - vorausgesetzt Patient und Therapeut konnten gegenseitig zutrauen fassen. In dem Fall spricht Roth von einer therapeutischen Allianz, die dem Patienten Linderung bringt, egal welche Methode angewendet wurde. Auf beiden Seiten schütten die Personen Oxytocin aus, das Serotonin fährt hoch. Aber eben nur bei Personen, die diese Bindung hinbekommen haben. Also hilft hier der Bindungsfaktor.
    Bei schweren Fällen muss in einer zweiten Therapiephase an dem Verhalten des Patienten gearbeitet werden. Der Patient muss neue Gewohnheiten erlernen, um die alten Muster zu überlagern. Das ist ein langwieriger Prozess.Die Störungen liegen in dem Gehirn in den Basalganglien - Instrumentelles lernen und Gewohnheiten sitzen da drin und sind tief eingefahren werden nie vergessen z.B. Fahrradfahren, Klavierspielen. Die Amygdala vergisst nicht! Die Fehlkonditionierung geht nie mehr verloren. Jedes Umlernen ist ein Überlernen. Bei hohem Stress kann allerdings ein Rückfall in die alten Strukturen erfolgen. In den Basalganglien werden beim Umlernen neue Zellen gebildet. Darum geht es so lang und ist so schwierig.
    youtube.com/watch?v=wqMIC2QSN10

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